April 2012 - Ausgabe 136
Legenden der 60er
Pico und die Bilder von Alf Trenk |
Foto: Alf Trenk
Die Bilder liegen vor ihm auf dem Pflaster: Abgründige Typen in schreiendem Acryl auf Hartfaser und Leinwand, denn den Bürgersteig zu bemalen hat ihm die Behörde untersagt. Ein betagter Malergeselle macht sich zum Sprecher der Menge, er will wissen, »wat die Bilder aussagen.« Eine Schwermut liegt doch da drin. Etwas von »Morden und Töten!« Pico kennt solche Diskussionen und diese immer gleichen Argumente. Er flüchtet sich in das Gleichnis von den Gefäßen, deren Form weder auf einen edlen noch auf einen giftigen Inhalt schließen lasse. Wer da an Sokrates denkt, muss sich korrigieren, denn Picos Bedürfnislosigkeit weist ihn eher als Kyniker aus, mit Behausungen in Kreuzberger Kellern. In den Ruinen einer Kasematte, dem Terrain halbzerstörter Botschaften, baut er Gemüse an, hält sich Kleintiere, darunter zwei Ziegen. Für die Touristenscharen, die für ein begehrtes Mauer-Foto durch die Linkstraße schlendern, ist er ein beliebtes Motiv. Amüsiert richten sie ihre Kameras auf den Mann, der da mit größter Selbstverständlichkeit eine Ziege am Strick spazieren führt. Der Malergeselle auf dem Bildermarkt allerdings macht kein Bild von Pico oder seinen Bildern. Er will diskutieren: »Aber is schon interessant, wenn soviel Leute da sind, wegen deine Bilder, darum jeht‘s doch, oder?« Pico, gleichgültig: »Darum geht‘s gar nicht.« »Ja, aber darum jeht‘s doch - um deine Bilder!« »Blödsinn. Wir unterhalten uns hier über eine Aussage.« »Bitteschön! Was haste für ne Aussage zu diesem Bild?« »Das ist ein Mensch, der nachdenkt und weiß, dass er nichts weiß. Also das Nichts ist das Größte..... - Das Nichts, das Tappen im Dunkeln - tappen, tappen, tappen...« Der Malergeselle überlegt. Nach längerer Pause die knappe Bilanz: »Seine Sache!« • |